Nimzowitsch' esthetic credo

"Schön sei weder das Aufspeichern geringfügiger Vorteile noch die 'aus einem Guss' gespielte Partie, schön sei vielmehr alles, was irgendwie das krause (verkreukelde) Schachgeschehen an die Naturgesetze knüpfe, um so zu offenbaren, 'wie gütig und wunderbar und geheimnisvoll die gütige Allmutter Natur ihres Amtes walte'. Wir zitierten soeben unsere in Kagans Neueste Nachrichten 1926 Seite 484 erschienene Abhandlung ('Was ist schön') und entnehmen ihr auch folgende Beschreibung eines Kampfes, der uns als Schulbeispiel für die neue Schachästhetik gilt: 'Schwarz gerät dank sorglosem Spiel auf eine schiefe Ebene. Aber mit ungeheurer Willensanspannung findet er einen Zug, der die Partie gerade noch hält. Dem Abwärtsschreiten ist ein Ziel gesetzt. Und dann beginnt ein Vorwärtsschreiten aller Stellungswahrscheinlichkeit zum Trotz, denn die Partie steht glatt auf Remis. Warum gewinnt aber Schwarz? Nun, weil das unter gewaltsamer Willensanspannung herbeigeführte Abstoppen des Auflösungsprozesses die in der schwarzen Stellung schlummernden Kräfte auslösen musste, die dann überraschend zur Geltung kamen. Der Lungenarzt kennt dieses Phänomen genau: Wird der Prozess erst einmal gestoppt, dann folgt auch unbedingt ein Aufwärtsschreiten, die Heilung." (aus: "Die Praxis meines Systems", pag 185.)

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